Ferdinand Friess „Kunst wi(e)der das Vergessen“

4. Juni bis 9. Juli 2023 im b-05 Kulturzentrum

Ferdinand Fries führte die Besucher bei der Vernissage selbst durch die Ausstellung und erläuterte Hintergründe der Entstehung seiner Bilder. (Foto: Heike Lutter)

Zum Titel der Ausstellung: „Kunst wieder das Vergessen“ meint vielleicht eine Kunst, die sich mit sich selbst beschäftigt, eine Kunst also, die unser Auge erfreut und ablenken möchte. – „Kunst wider das Vergessen“ indes meint eine Kunst, die sich gegen das Vergessen stellt – und an Ereignisse und Geschehnisse erinnert, die wir lieber nicht sehen möchten. Mit seinen Bildern und Installationen stellt sich der Maler Ferdinand Fries gegen das Vergessen.

Die in Bunker 2 ausgestellten Bilder hat er unter den Titel „Gewalt und Leid“ gestellt, die in Bunker 3 gezeigten mit „Macht, Flucht und Vertreibung“ überschrieben. Bereits beim ersten Blick wird ersichtlich: Er setzt auf die menschliche Figur; die Themen sind ihm offenbar so wichtig, dass er große Formate wählt; die eingesetzte Schrift ist von formaler und inhaltlicher Bedeutung.

Biografisches: Ferdinand Fries wird am 4.5.1940 in Bad Kreuznach in eine Schmuckhändler-Familie geboren. Er besucht eine Goldschmiedeschule in Pforzheim, macht Abitur in seiner Heimatstadt und erhält 1962 den Gesellenbrief als Juwelengoldschmied. 1962/63 studiert er ein Semester Bildhauerei an der Städelschule Frankfurt. Wegen der schweren Erkrankung des Vaters steigt er in den familiären Betrieb ein. – 2001 folgt der große Schnitt: Ferdinand Fries verkauft die Juwelenmanufaktur – und arbeitet seitdem als freiberuflicher Künstler. Er betreibt Studien in Zeichnen und Malen an der Europäischen Kunstakademie in Trier.

Gewalt, Vertreibung und Flucht sind zentrale Themen der Ausstellung „Bilder wi(e)der das Vergessen“ mit Werken von Ferdinand Fries. (Foto: Heike Lutter)

Themen der ausgestellten Werke: Neben zwei eindrücklichen Arbeiten zur nationalsozialistischen Vergangenheit liegt der Schwerpunkt auf den Themen Krieg und Gewalt: Gleich mehrere Bilder befassen sich mit dem zweiten Irak-Krieg von 2003, der mit der Lüge von Massenvernichtungswaffen in Händen Saddam Husseins legitimiert wurde. – Gewalt entsteht durch Rüstungsexporte, das Verlangen nach Diamanten oder den Anbau von Schlafmohn für Opium. – Darüber hinaus sehen wir Menschen, denen das Nötigste fehlt, und solche, die für ihre Profitgier das Elend anderer billigen. – Ein wesentliches Bildmotiv ist die Flucht über das Mittelmeer seit 2015/16.

Alles sind Themen, die den Menschen Ferdinand Fries tief berühren, ja ihn empören – und für die der Maler Ferdinand Fries eine künstlerische Form in der Gestalt eines Gemäldes sucht und findet. Seine Bilder sind engagierte, politische Bilder, die eindeutig Partei ergreifen, nämlich für die Opfer und das ihnen zugefügte Leid. Über seine Bilder möchte der Maler mit den Betrachtern in ein Gespräch kommen.

Hingewiesen sei auf zwei Werke, die Kinder zeigen, die übermächtiger Gewalt ausgesetzt sind. Das eine blickt zurück in die Vergangenheit, das andere befasst sich mit aktuellen Ereignissen.

Teddy 1942 – Das Gleis in Auschwitz. (Foto: Heike Lutter)

Teddy 1942 – Das Gleis in Auschwitz: Es zeigt im Vordergrund rechts einen großen Uniformierten mit Nazi-Emblemen, links ein kleines Mädchen mit Mütze und kurzem Mantel; beide sind durch einen Teddybären verbunden. Ihre Gesichter sind nur grob gemalt, das des Uniformierten scheint in Auflösung begriffen. Auf der linken Bildseite befinden sich das „Gleis in Auschwitz“, im Hintergrund wehen Nazi-Flaggen.

Unter dem Teddy auf dem Bild befindet sich unter dem Bild ein kleiner Hügel aus Teddybären. Es handelt sich um eine irritierende Installation: Wohin führt die gemeinsame Wegstrecke von Kind und Nazi? Ist es ein Todesmarsch in die Gaskammer – wofür der Teddy-Berg unterhalb des Bildes spricht? Oder besteht doch Hoffnung für das Mädchen – wofür die Verbindung der beiden durch den Teddy spricht?

www.will-kommen.de. (Foto: Heike Lutter)

Bild 2: www.will-kommen.de ist das kleinste Gemälde der Ausstellung und ein bildgewordener Kommentar zur immer wieder tödlich endenden Flucht über das Mittelmeer. Hinter verschlungenem NATO-Draht mit Widerhaken erkennt man ein verängstigtes Kind, das eine orangefarbene Rettungsweste trägt. Rechts oberhalb des Kindes sieht man den Kopf einer jungen Frau; ihre Mundpartie wird durch die stützende linke Hand verdeckt.

Mutter und Kind sind durch glänzenden Stacheldraht von uns Betrachtern getrennt – wobei der Stacheldraht ein sehr reales Symbol für den gesellschaftlichen Umgang mit Geflüchteten ist. Das vom Stacheldraht unverdeckte Haupt der jungen Frau ist von einer solchen Anmut, dass man christliche Darstellungen von Maria mit Jesuskind assoziiert. Gewalt und Anmut sind zugleich dargestellt: Dem Bild ist eine ungewöhnliche Ambivalenz von Schrecken und Zärtlichkeit eigen.

Mit seinen Gemälden mutet Ferdinand Fries dem Betrachter einiges zu: Sie führen uns Dinge vor Augen, an die wir nicht gerne erinnert werden wollen. Doch tut das genaue Hinschauen manchmal Not, um uns einen realistischen und anteilnehmenden Blick auf unsere gesellschaftliche und politische Wirklichkeit zu bewahren.

In einem Bildervortrag mit dem Titel „Kunst und Frieden – Frieden schaffen mit Kunst?“ wird der Maler am Samstag, 1. Juli 2023, 17 Uhr, im Café b-05 in Montabaur nicht nur auf die noch bis zum 9. Juli laufende Ausstellung eingehen, sondern auch die Hintergründe seines künstlerischen Schaffens erläutern.

Ferdinand Fries hielt seinen Vortrag unter anderem auch bei der Volkshochschule Vaterstetten in der Online-Reihe „Wissen am Abend“. Der Vortrag ist unter diesem Link abrufbar.

Eindrücke von der Ausstellung

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360°-Präsentation der Ausstellung

In einem 360-Grad-Rundgang durch den Galeriebunker, produziert im Auftrag des Bildungs- und Kulturmagazins „Eulenfisch“ des Bistums Limburg, kann die Ausstellung von Ferdinand Fries nochmals virtuell betrachtet werden. Und für alle, die keine Zeit gefunden haben, die Exponate im Ausstellungszeitraum real zu besuchen, ist jetzt ein virtueller Besuch im b-05 erstmals möglich. Hier geht es zum virtuellen Rundgang.

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